Irische Musik
Die Geschichte Irlands ist zum größten Tl. die Geschichte eines ländlichen Staatswesens. Noch bis vor kurzem verstand man unter ir. Musik fast ausschließlich Volksmusik sowie Kompos. für bestimmte traditionelle Instr. Der ir. Volksgsg. benutzt zwar neben der ir. auch die engl. Sprache, doch ist das Irische das ältere Sprachelement und noch heute an der ir. Westküste, in Donegal (Ulster), in Galway mit den angrenzenden Inseln (Connacht) und in Kerry und Cork (Munster) lebendig. Zum Verständnis der rhythmischen Strukturen ir. Musik ist die Kenntnis der Gsge. in ir. Sprache wichtig, da diese auch für diejenigen echten ir. Vld., die sich des Englischen bedienen, in rhythmischer Beziehung als grundlegend zu gelten haben. – Alle noch erhaltenen Weisen gehen auf die ir. Dichtkunst zurück, die in vier Haupttypen (Rosg, Laoi, Caoine und Amhrán) aufgetreten ist. Rosg ist eine Art Rezitativ, dessen kurze Verszeilen zu Strophen von unbestimmter Länge zusammengefaßt sind. Tritt Musik zur Dichtung hinzu, so entstehen Formen, die den russ. »gedehnten Gsgn.« oder der span. Alatá nicht unähnlich sind. Laoi bedeutet in der Dichtung eine vierzeilige Strophe, die bei der Darstellung des Heroic Fenian Cycle Verwendung gefunden hat. Die dazugehörigen Weisen glichen denen des Chorals. Unter Caoine wird innerhalb der Dichtkunst jede Art von Klagegedicht verstanden. Im mus. Sinne bezeichnete Caoine jedoch einen ganz bestimmten Gsg.-Typ, der als Totenklage bei Begräbnissen von berufsmäßigen Klagesängern angestimmt worden ist; diese Sitte ist jedoch heute kaum mehr anzutreffen. Ein gewöhnlicher Klagegsg. wäre demgegenüber unter dem Begriff des Amhrán einzureihen, der als Kompos.-Form am weitesten verbreitet und hinsichtlich der metrischen Struktur am vielfältigsten ist.
Tadhg Ó Donnchadha hat in seinem Hauptwerk Prosóid Gaedhilge (Gaelische Prosodie) allein dreizehn verschiedene Arten des Amhrán, die sich durch die Anzahl der Zeilen innerhalb einer Strophe unterscheiden, verzeichnet; die Strophenformen gehen von einfachen Vierzeilern bis zu sechzehn- und mehrzeiligen Strophen. Immer bewirkt eine Abwandlung der metrischen Betonung innerhalb einer Zeile beim Hinzutreten der Musik eine Var. des Rhythmus.
»For these airs are not, like so many modern melodies, mere ad libitum arrangements of a pleasing succession of tones, unshackled by a rigid obedience to metrical laws; they are arrangements of tones, in a general way expressive of the sentiments of the songs for which they were composed, but always strictly coincident with, and subservient to, the laws of rhythm and metre which govern the construction of these songs, and to which they consequently owe their peculiarities of structure. And hence it obviously follows that the entire body of our vocal melodies may be easily divided into, and arranged under, as many classes as there are metrical forms of construction in our native lyrics, but no further, and that any melody that will not naturally fall into some one or other of those classes must be either corrupt or altogether fictitious« (Petrie, 1855).
Die ir. Dichtung bedient sich eines dem natürlichen Sprachrhythmus folgenden akzentuierenden Vs. Die betonten Worte jeder Zeile reimen entweder untereinander oder mit einer ähnlichen Folge betonter Worte der nächsten Zeile durch Gleichklang (Assonanz), was sich dann in der einmal gewählten Form in allen Strophen wiederholt. Auch Endreime erfordern lediglich Assonanzen. Zwischen betonten Silben braucht nicht immer innerhalb jedes Taktes (Céim, step) dieselbe Anzahl unbetonter zu liegen. Jedoch gibt es daneben viele Gsge., vorwiegend Tanz- und Marschlieder, mit fast gleichmäßigen Takten.
(1)
Beisp. 1 illustriert die ir. akzentuierende Assonanzendichtung; es stammt aus dem Lied Roísín Dubh (Dunkles Röselein; die Reimsilben sind unterstrichen):
Ein so kompliziertes Reimschema ist nur unter Schwierigkeiten auf die deutsche Sprache übertragbar, da nach Möller »diese Assonanzen, die das keltische Ohr als Reime empfindet,. .... im Deutschen immer durch Vollreime wiedergegeben werden« sollen. Immerhin vermittelt die folgende Möllers Lied der Völker IV entnommene Bearb. der ir. Strophe einen ungefähren Eindruck von der Versklangwirkung des Originals:
»Weiten Weg ohne Steg kam mit dir ich daher
Über Berge, durch Schluchten und übers wilde, wilde Meer
Mit dir durch den Éirne (sprich: Erne) und über Stock und Stein
Und ich sang, und die Harfe klang für mein Dunkles Röselein«
Wäre der Text dieses Liedes nicht erhalten, so könnte man doch unschwer aus der Melodie das Metrum des Originalgedichts ableiten. So darf man z.B. für die berühmte, mißverständlich The Londonderry Air genannte untextierte Liedweise mit ziemlicher Sicherheit dasselbe metrische Schema annehmen, das dem bekannten Jacobiterlied »An Buachall Bán« (veröff. in J. O'Daly, Poets and Poetry of Munster, 2/1860) zugrunde liegt. – Im selben Maße, wie die Rhythmik der ir. Musik von der akzentuierenden Assonanzendichtung Irlands her bestimmt wird, sind die verwendeten Leitergebilde abhängig von dem Tonsystem, das auf der Hf. als dem Instr. des Adels und auf dem Dudelsack als dem Volksinstr. Irlands dargestellt werden konnte. Von allen ir. Nationalinstr. stand die Hf. auf der höchsten Stufe, unmittelbar gefolgt vom Dudelsack. Zwar wurden daneben nachweislich auch andere Instr. benutzt, doch haben diese in der ir. Musik keine nennenswerten Spuren hinterlassen und sind lediglich von archäologischem Interesse. Hierher gehören die mit dem Bogen gespielten Streichinstr. Timpán und Fidil, das dem Militär-Hr. verwandte Corn, die beiden Trp.-Typen Stoc und Sturgan sowie zwei verschiedene Typen einer frühen Entwicklungsform der Hf., nämlich die fünf- oder sechssaitige quadratische Hf., wie sie auf dem Steinkreuz in Castledermod, Co. Kildare dargestellt ist, und eine dreieckige Hf., die offenbar nordischen Ursprungs ist und vom 11. Jh. an in Darstellungen begegnet. Letztere wurde »Ocht-tédach« genannt, mit Eisen-, Silber- oder Bronzesaiten bespannt, am Gürtel getragen und zur Gsg.-Begl. benutzt. Der Dudelsack war in zwei Arten vertreten, von denen die im allgemeinen als »Warpipe« bezeichnete Píob Mór (Big Pipe) mit der schott. Highland Pipe völlig übereinstimmte, während die Benennung der Píob Uilleann (Elbow Pipe) darauf zurückzuführen ist, daß die jüngere engl. Bezeichnung für dieses Instr., »Union Pipe«, einem Mißverständnis zufolge mit dem gaelischen Wort Uille (Elbow = Ellenbogen) verquickt wurde. Diese Píob Uilleann wurde mit Hilfe eines Blasebalgs gespielt. Bevor man sie im Laufe einer »fortschrittlichen« Entwicklung durch Hinzufügung von Tasten und Klangregulatoren »verbesserte« und die Stimmung um einen Ton nach oben verschob (vgl. ð W. H. Grattan Flood, The Story of the Bagpipe, Anh. F), hatte sie den Tonumfang c-c''; deshalb war es nur bis zu einem gewissen Grade möglich, auf dem Dudelsack sämtl. Leitern darzustellen, die für das Spiel auf der erstmals in der Form der sogen. Brian Boru-Hf. vertretenen Cláirseach zur Verfügung standen. Dieses Instr., das sich heute in der Bibl. des Trinity College Dublin befindet, stammt aus dem 15. Jh. und hat dreißig Saiten. Ihm gegenüber war die Irish Harp ein einfaches diatonisches Instr., dessen Tonhöhe festgelegt und während des Spiels nicht mehr beeinflußbar war; der Spieler konnte also lediglich ein modales Leitersystem benutzen, dessen erste sechs Leitern mit dem Dorischen, Ionischen, Phrygischen, Lydischen, Mixolydischen und Aeolischen übereinstimmten.
(2)