Lorbeer
(Laurus nobilis)
1. Strauch oder Baum mit lanzettlichen immergrünen, lederartigen Blättern. Die eigentliche Heimat des Lorbeers sind Kleinasien und der Balkan; in Mitteleuropa gedeiht er nicht im Freien, dagegen wird er dort häufig als Kübelpflanze gezogen. In der Antike spielte der Lorbeer in Reinigungsriten, in Zauberei und Wahrsagung eine große Rolle1).
1) M.B. Ogle Laurel in ancient Religion and Folklore in: The Americ. Journal of Philol. 31 (1910) 287–311; Schrader Reallex.2 2, 14 f.; Boehm De symbol. Phytag. 1905, 34; Abt Apuleius 151 (mit vielen Literaturangaben); Samter Familienfeste 87 ff.; Seligmann Blick 2, 76; Pley de lanae usu 41 f. 71. 81; Phil. Hist. Abh. Akad. Berlin 1865, 156 f. (griech. Zauberpapyrus); Höfler Organotherapie 14. 39 f.; Heim Incantamenta 508 (mit Literatur); Stemplinger Aberglaube 63. 77; Pauly- Wissowa 1, 60; Mannhardt 1, 205 f. 296.
2. Als typische Mediterranpflanze tritt der Lorbeer im deutschen Aberglauben wenig hervor. Die Predigtanweisungen des hl. Pirmin (gest. 753) verbieten an den Vulkanalien (die germanischen »Jahresfeuer«) »laurus obponire« (Lorbeer aufzustellen). Vielleicht haben wir es mit einem »Neujahrsmaien« (s. Lebensrute) zu tun, den römische Soldaten oder Kaufleute nach dem Elsaß, wo Pirmin wirkte, brachten2), vgl. die ähnliche Stechpalme. Als Lebensrute (s.d.) wird der Lorbeer 1785 aus Bayreuth genannt3). Der antike Glaube, daß der Lorbeer vor Blitz schütze4) ist in die mittelalterliche Literatur übergegangen, so sagt Megenberg5): »den paum laidigt der donr und das weterplitzen nicht«. Auch die allgemein apotropäische Wirkung, die man ihm manchmal zuschreibt, geht wohl mittelbar auf die Antike zurück. Am Vorabend vor Dreikönig wird u.a. mit geweihtem Lorbeer geräuchert, der als Mittel gegen »finstere Gewalten« gilt. Am Christabend ißt man drei Lorbeerbeeren, um das ganze Jahr vor Krankheit geschützt zu sein6), den Kühen gibt man im Jahre dreimal (besonders im Mai) Lorbeern und Meisterwurz (s.d.) mit Salz7). Daß das in ein Lorbeerblatt gewickelte Kraut »Sonnenwirbel« zusammen mit einem Wolfzahn beliebt mache und Diebe entdecken lasse8), stammt ebenfalls z.T. aus der antiken Zauberliteratur, s. Wegwarte. Die westdeutsche Sitte, daß die Führer des Leichenwagens oder die Totengräber ein Lorbeerblatt im Munde9) tragen, hat vielleicht ursprünglich eine apotropäische Bedeutung, s. Zitrone. Die beim Begräbnis getragenen Lorbeerblätter werden dem Toten ins Grab nachgeworfen10). In den Pyrenäen legt man Lorbeerzweige auf den Sarg11). Da die Lorbeerblätter bei Beerdigungen vielfach die früher gebrauchten Rosmarinblätter (s.d.) ersetzt haben12), so wird wohl die Redensart entstanden sein »Lorbeer verträgt sich nicht mit Rosmarin«13).
2) OberdZfVk. 1, 104. 3) Heimatbild. aus Oberfr. 3 (1915), 122. 4) ZfVk. 35/36, 275 f. 5) Buch der Natur ed. Pfeiffer 327. 6) Drechsler 2, 218. 7) Ebd. 2, 104. Albertus Magnus 1508, cap. 1 = Geheimnisse20 Toledo 1, 16. 9) Lengler Birkenfelder Bilder2 1922, 25; Mém. de l'acad. de Metz. 3. sér. 35 (1905/06), 105. 10) Wilde Pfalz 162. 11) Rolland Flore pop. 9, 200. 12) Lengler a.a.O. 13) ZfrwVk. 2, 210.
3. Die Wurzelausläufer der Lorbeerstöcke wachsen nur, wenn sie von »Mannsleuten« gepflanzt werden; »Weibsleute« haben nie Erfolg damit14).
14) Wilde Pfalz 162.
4. Gegen Krankheiten werden Zauberworte auf Lorbeerblätter geschrieben15), was schon griechische Zauberpapyri erwähnen16), vgl. Salbei. Damit zwei einander feind werden, teile ein Lorbeerblatt, schreib auf den einen Teil seinen Namen, auf den andern den ihren, steck eine neue Nadel durch und wirf es ins Wasser17). Man kann zu einer bestimmten Stunde erwachen, wenn man so viele Lorbeerblätter unter das Kopfkissen legt als man Stunden schlafen will, ein Mittel, das bei Bettpissen praktisch verwendet wird18). Wenn ein Kind schöne Augen bekommen soll, muß die Mutter während der Schwangerschaft jeden Morgen eine Lorbeerbeere essen19). In der Pfalz bekreuzt man als Präservativ gegen Krämpfe das Kind nach jedesmaligem Wickeln mit dem am Bettvorhang hängenden Lorbeerstrauß20).
15) 15. Jh.: SAVk. 27, 137. 16) Phil. hist. Abh. Akad. Berlin 1865, 136. 156 f. 17) 15. Jh. SAVk. 27, 82. 18) Fossel Volksmedizin 80. 19) Arzneibuch d. 17/18. Jh.: SchweizId. 4, 1469. 20) Lammert 123 = Wuttke 386 § 588.
Lorbeer. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (vgl. HWA Bd. 5, S. 1349 ff.)