Wenn ich hier jetzt das Thema „Germanische Geburtstagsvorstellung“ aufgreife, möchte ich zugleich die Gelegenheit nutzen, die Bedeutung der im weitesten Sinne mit Sippen- und Clan-Traditionen verbundenen antiken Familien-Kulte (Ahnenkulte) herauszuarbeiten.
Würde man die These aufstellen, daß die bronzezeitlichen Kulturen Europas, die sich seit 2.200- 1.800 v. Chr. aus dem megalithen und indouropäischen Neolithikum entwickelt haben, aus einer gemeinsamen schamanistischen Grundhaltung heraus, alle zu vergleichbaren Familien- und Sippen-Kulten gefunden haben, so wär es bei aller Vorsicht erlaubt, die dokumentierten Kulte einzelner früher europäischer Zivilisationen auf die proto-germanischen Verhältnisse zu transferieren, soweit sich dort zumindest EINZELNE Elemente eines vergleichbaren Kultverständnisses nachweisen lassen.
Die Bronzezeit kann durchaus für alle europäischen antiken Völker, als „Wiege“ ihrer spirituellen und mythologischen Weltbilder bezeichnet werden, jene Zeit in der ihre beiden starken neolithischen Wurzeln – megalithische und indoeuropäische Kultur - miteinander verwuchsen.
Prägend und damit kultisch beherrschend für diese Zeit war jedoch die Erfahrung als oftmals wandernde Kleingruppe (der Sippe, des Clans), die sich auch im Verlauf größerer Gruppenbildungen in der frühen Eisenzeit erhielt (bis in die Begründung früher Stadtpolis durch solche Stammesverbände hinein).
Aus diesem Denken im Sippen- und Clan/Familien-Zusammenhang entwickelten sich alle Kulte die die Lebenskreis-Ereignisse der einzelnen Sippen und Familienmitglieder betrafen und beherrschten das Denken der frühen Polis (Mykenisch, Frühgriechisch / Ionisch, etruskisch, Keltisch, Italisch etc.) weit stärker als irgend welche übergeordneten „staatstragenden“ Strukturen.
Dieses Sippen- und Clan-Denken und ihr kultisches Selbstverständnis , wurzelte jedoch (wie bschrieben) in ältesten schamanistischen Weltbildern, die nicht nur die Lebenskreis-Erfahrungen der LEBENDEN umspann, sondern den Clanverband über das Diesseits hinaus ins Jenseits führte, indem es die Verstorbenen daurhaft durch Ahnenkult und Ahnnverehrung an die Sippe oder den Clan band. Lange bevor sich also ein greifbares Göttliches Verständnis von der Welt entwickelte, in dem göttlich Kräfte die Geschicke der Menschen beeinflussten, beherrschten neben den Geistern der Natur vor allem die Geister der Toten das Geschick der menschlichen Gemeinschaft, und dieses Übergewicht erhielt sich selbst in die antike Völkerwelt hinein, deren PERSÖNLICHE Kulthandlungen zu etwa 80 % die Welt der Ahnen-Geister betraf, und nur zu etwa 20 % die Welt der Götter – und wir reden hier von vergleichsweisn „modernen“ Hochkulturen wie den Griechen und den Römern.
Daraus lassen sich zwei „plakative“ Feststellungen treffen :
1) Die antiken Lebenskreisfeste feiern die Lebenden und VOR ALLEM die Toten der eigenen Sippe / Familie – es sind demzufolge immer auch Ahnenfeste.
- Die Präsenz der Götter spielt daher in den entsprechenden Kulthandlungen keine oder eine gesellschaftlich übergeordnete Rolle, nämlich dort , wo die Sippe als gesellschaftlicher Träger eines Staatswesens (Polis) verstanden wird, dort werden solche Ahnenfeste zu gesellschaftlichen Ereignissen, die sich unter den Schutz der jeweiligen Staats-/Stadgottheiten stellen – damit jedoch immer noch nicht Teil des direkten kultischen Vorgangs sind.
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2) Das kultische Alltagsleben des Einzelnen, ist in der überwältigenden Mehrheit seiner persönlichen Kulthandlungen auf die Erscheinungen und Phänomen ausgerichtet, die sich aus einem bronzezeitlichen Sippen und Ahnenverständnis erzeugen – und nur zum geringsten Teil direkt auf die Welt der Götter bezogen.
- Diese Welt des Göttlichen entwickelte sich sehr viel mehr aus der sozio-politischen Gemeinschaft heraus, war also immer sehr stark gesellschaftlich geprägt. Gerade aus diesem soziomorphen Gottsverständnis heraus, entwickelte sich ja das durch die Gesellschaft getragene Priester- , Tempel- und Orakelwesen – also das Delegieren der Gottsverehrung und Gottsbefragung an eine besondere, darauf spezialisierte gesellschaftliche Gruppe.
In diesem Sinne, würde sich das Neuheidentum in seinem kultischen Alltagsleben zu sehr auf die Welt der Götter konzentrieren – ja, man könnte sagen, daß das Bild von der „Rückkehr der Götter“ nur zum geringen Teil das antike / frühmittelalterlich heidnische Selbstverständnis erfasst, und erst eine „Rückkehr der Geister“ den eigentlichen heidnischen Alltag beschreiben könnte.
Wenn wir aber von der Bedeutung dieser Geister sprechen, so verbinden sich vor allem zwei Momente des menschlichen Daseins in besonderem Maße mit ihrem Wirken, und beides waren dem zufolge immer auch Ereignisse welche die ganze Gemeinschaft betraf – Geburt und Tod.
Apaturia – oder von der Bedeutung einer Geburt
Laut Pauly das „Fest der Söhne des gleichen Stammesvaters“ – ein dreitägiges Fest der ionisch-attischen Geschlechterverbände (Clans).
Kaum ein frühantikes Fest steht hier noch so tief in der Tradition des bronzezeitlichen Sippen- und Stammesverbandes, die sich bis über die Gründung der frühen Polis hinaus in deren gesellschaftliches Selbstverständis fortpflanzt.
Als gesellschaftliches Ereignis stand die Apaturia allgemein unter dem Schutz des Zeus oder der jeweiligen Stadtgottheit (z.B. Athene)
Die drei Tage standen unter dem Motto
- Festmal der „Phratoren“ (der Clan-Oberhäupter) – dabei wurden allgemeine politische und gesellschaftliche Fragen der Polis besprochen – aber auch Ehen vereinbart und Clandifferenzen beigelegt.
- Schlachtung der Opfertiere – als Akt der Bstätigung der Gemeinschaft aller Clans / Geschlechter einer Polis
- „Kureotis“ (Haarschurtag) – der wahrscheinlich bedeutendste Tag des Festes
An diesem Tag wurden die nach der vorjährigen Apaturia geborenen Familien / Clan-Mitglieder der Gemeinschaft vorgestellt, und ihre Namen in die Geschlechterbücher der Polis eingetragen –also in die Gemeinschaft aufgenommen.
„Mannbar“ gewordene Mitglieder wurde zum Zeichen der kultischen Aufnahme in die Mitverantwortung der Gemeinschaft erstmals das Haar geschoren.
Damit stellt die Apaturia als Festereignis eine archaische Form der Vergesellschaftung von Geburtsereignissen dar, aus einem sehr alten Denken heraus, indem die Geburt eines neun Sippen/Clan-Mitgliedes immer auch eine Angelegenheit der ganzen Gruppe darstellte.
Wenn aber die Geburt eines Menschen erst zu einem bestimmten Tag innerhalb eines Geburtsjahres „öffentlich festgestellt „ wurde, so bschreibt das ja noch nicht das Geburtsereignis selbst, oder dessen jährliche Wiederkehr, sondern nur dessen öffentliche Bedeutung.
So lang die Geburt eines Menschen aus dem Sippendenken heraus vor allem gesellschaftliche Bedeutung hatte, reichte ein solches järhliches „Sippen- oder Geschlechter-Fest, das alle lebenden und toten Mitglieder zugleich erfasste, völlig aus. Ein mit dem Ahnen- / Familienkult verbundenes individuelles Lebenskreisfest wie der Geburtstag, konnte sich dagegen nur aus einer „PERSÖNLICHEN“ Begründung entfalten, die den Moment der Geburt auch kultisch so sehr mit den Ahnen verband, daß er jährlich zu begehen war. Und hier nun erscheint uns eines der ältesten und für das EINZELNE Individuum lebenslang bedeutendsten Elemente des altgriechischen Ahnenkultes - der DAIMON des Menschen.
Der Daimon – oder der Seelenbegleiter des griechischen Menschen
Erstmals bschrieb Hesiod den Daimon im 8. Jahrh. v. Chr., als verstorbene Seelen eines „Goldenen Ahnenzeitalters“, die als wohlwollende Geister den Menschen durchs Leben begleiteten.
Aber nachdem nun jenes Geschlecht absenkte das Schicksal,
Werden sie fromme Daimonen der oberen Erde genennet,
Gute, des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter,
Welche die Obhut tragen des Rechts und der schnöden Vergehung,
Dicht in Nebel gehüllt, ringsum durchwandelnd das Erdreich,
Geber des Wohls: dies ward ihr königlich glänzendes Ehramt.
[Hesiod Werke und Tage V. 121-126. Übersetzung von Johann Heinrich Voß].
Zunächst also gemäß der alten Sippenvorstellung einer Verbindung von verstorbenen Ahnen und lebenden Menschen noch direkt im Ahnenkult verankert, wurde in den folgenden Jahrhunderten auch die Vorstellung des persönlichen Daimons Gegenstand der konkurierenden philosophischen Betrachtungen, und durchlief etliche abstrakte Mystifikationen, wobei sie als Geistwesen auch eine gewisse Rolle als Mittler zwischen den Göttern und den Mnschen einnahmen.
- Sokrates spricht von einem „Daimonion“ (Dem unbstimmten „Göttlichen“) wenn er erzählt - eine Stimme nämlich, welche jedes Mal, wenn sie sich hören lässt, mir von etwas abredet, was ich tun will, - zugeredet aber hat sie mir nie. [Platon - Apologia]
- Bei Platon und anderen philosophischn Schulen wird der Daimon zum schicksalsbstimmenden Begleiter.
Es beginnt mit eurer Geburt eine andere Periode eines sterblichen und todbringenden Geschlechts, nicht euch erlost das Lebensverhängnis drs Daimon, sondern ihr wählt euch das Geschick......
..... Einem jeden sei der Daimon der von ihm erwählten Lebensweise zum Beschützer seines Lebens und zum Vollstrecker seiner Wahl mitgeschickt. Dieser Daimon habe nun die Seele (Seins Schützlings) zunächst zur Klotho gebracht und unter ihre den Wirbel der Spindel treibende Hand geführt, um das Geschick, welches jene gelost, (im Lebensfaden) zu befestigen. .....
.... Es wird gesagt, dass, wenn ein Mensch gestorben ist, der Daimon eines jeden, der ihn während seines Lebens zugelost erhalten hat, diesen nach der Stätte führe, wo die Seelen abgeurteilt werden.[Platon - Phaidon]
Das schicksalhafte Wirken des Daimon, bleibt auch bei Platon eine Begleitung in „Gutem Geiste“ – er bestimmt nicht das Geschick seines Schützlings, das tut dieser schon selbst, sondern er sucht ihn positiv zu beeinflussen.. Schon im Umstand daß der Mensch seinen Daimon bei seiner Geburt als Begleiter „erlost“, soll verdeutlichen, daß dieser Begleiter aus dem Unbewussten heraus gewählt wurde, um durch seinen Rat sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, um so sein Geschick zum Guten zu wenden.
Bei Menander verstärkt sich diese Vorstellung noch
Neben jeden Menschen stellt sich gleich, wenn er geboren wird, ein Daimon, ein guter Mystagoge des Lebens; denn man darf nicht glauben, daß es einen bösen Dämon gibt, der das Leben schädigt, oder daß ein Gott böse ist, sondern es ist alles Gute; diejenigen aber, die nach ihrem Charakter schlecht sind (eigentlich „unfähig“ im Sinn von „dumm handeln“) sprechen dem Daimon die Schuld zu und nenne ihn schlecht, obgleich sie es selber sind.
Der Geburtstag oder das Fest des Daimon
Mit der Geburt des Menschen verbunden, wurde nun der Tag dieser Geburt zum schicksalhaften Moment einer lebenslangen Verbindung von Geistwelt und Mensch. Der Tag aber, an dem dieser Bund seinen Anfang nahm, wurd zum Fsttag dieser Verbindung.
Erste Hinweise auf einen jährlich gefeierten, persönlichen Geburtstag gibt es bereits für das 6. Jahrh.v Chr., seit dem Hellenismus (ab 300 v. Chr) zahlreich dokumentiert, stand das Fest mit Festmahl und Gastgeschenken immer auch im Zeichen eines Opferfestes für den persönlichen Daimon, auch wenn dessen Geistwesen je nach philosophischer Einstellung des „Geburtstagskindes“ wohl nicht mehr immer direkt als „Ahnenbegleiter“ verstanden wurde.
Genethliakon
Wie sehr sich die Vorstellung des persönlichen Daimon im Verlauf des Hellenismus individualisierte, zeigen die Texte jener Gedichte, die eben diesen Geburtstag zum Gegenstand ihrer Festrede nahmen (logos genethliakos)..
Das Genethliakon (von griechisch ????????? „die Geburt betreffend“, zu ????? „Geburt, Herkunft“) ist eine Gedichtform der Antike, die zu Beginn der hellenistischen Zeit entstand und die wichtigste Quelle antiker Geburtstagsfeiern darstellt.
Sie feiert die Geburt eines Kindes sowie später auch den Geburtstag rwachsner Prsonn. Ein Genethliakon ist in freier Versform verfasst und nimmt unter Einsatz vieler rhetorischer Stilmittel Bezug auf die antike Mythologie. Aus der griechischen Lyrik wurde es in die römische Literatur übernommen und entwickelt. Überliefert sind Tibulls Genethliaka auf die Geburtstage des Freundes Cornutus und der Dichterin Sulpicia, Ovids Gedichte auf seinen eigenen Geburtstag und den seiner Frau, ferner Genethliaka von Statius (Silvae II,7 und IV,7 und 8 ) und Ausonius aus dem 4. Jahrhundert. Vergleichbare Motive nutzten Persius und Martial. [Quelle: Wiki-Artikel]
Wessentlich bleibt jedoch fstzuhalten, daß der Geburtstag immer auch (oder sogar speziell) das Opferfest des
persönlichen Daimons bildete, das Fest selbst also deutlich in der Tradition der Ahnenkulte stand, aus denen heraus es einst entstand.
Deutlicher noch als beim griechischen Daimon, sollte sich diese Vorstellung eines mit der Geburt verbundenen Ahnenkultes allerdings auf italienischem Boden entwickeln, in Gestalt des römisch-etruskischen „GENIUS“.
Die "Dii Familiaris" als Ausdruck des Ahnenkultes von Etrusker und Römer
Die früheste, erstmals fassbare römische Religionsvorstellung stellt weitgehend eine Mischung aus altitalischen und etruskischen Elementen dar. Obgleich über die etruskische Religion selbst nur wenig originäre Zeugnisse überliefert sind, zeigen sich doch einige ihr zentralen Merkmale auch in der frühen römischen Religionsvorstellung – hier vor allem der stark ausgeprägte Ahnen- und Familienkult. Wie später auch im Fall der griechischen Kultureinflüsse adaptierten die Römer hier offensichtlich Teile der etruskischen Religion für ihre eigenen Bedürfnisse.
Bei der Gründung Roms waren die Götter demnach Numina, göttliche Erscheinungen ohne Form oder auch nur „vorgstellter Gestalt“ . Die Idee von Göttern als menschliche Wesen kam erst später, mit dem Einfluss der Griechen, welche Götter in menschliche Formen hatten.
Nach einer de facto durchaus gläubigen Periode vor allem gegen Ende der Republik, durchliefen zumindest die Götterbezogenen Elemente eine gesellschaftspolitische Systmatisierung, wurden vereinfacht, rationalisiert, formalisiert und durchaus auch „veräußerlicht“, und zwar in dem Sinne, dass das Verhältnis des Menschen zur Gottheit einen Rechtscharakter (Cicero: ius divinum) erhielt, der vor allem in der korrekten Anrufungsformel und genau festgelegten Ritualen ihren Ausdruck findet.
Das scheint der römischen Religiosität als GANZES jedoch nie vollkommen entsprochen zu haben, denn daneben finden sich bei ihnen zahlreiche Reste von altem Glauben, die sich neben der ungebrochenen Bedeutung der Dii Familiaris auch in Gestalt von Dämonenfurcht und Totenritualen mit einem geradzu irrationalen Hang zur Magie und zum Aberglauben äußerte, und in denen sich zweifellos einige altitalisch und etruskische Reste bewahrten.
[Quelle u.a.: Heinrich Krefeld - Res Romanae, Hirschgraben Verlag, Frankfurt am Main 1962]
Die Vorstellung von Numen als Erscheinung des Göttlichen bestand jedoch weiter. Für die Römer war alles in der Natur in geradezu animistischer Weise von Numina bewohnt. Die Numina bildeten so gleichsam die „physische Wirkkraft der Götter, in IHNEN zeigte sich der göttliche Willen im Naturphänomen, dessen Omen und Zeichen der religiöse Römer ständig zu interpretieren versuchte.
Kaum ein Element der römischen Religionsvorstellung erwies sich letztlich jedoch als so prägend für Staat und Gessllschaft als jene alte, aus frühesten Ahnenkulten überkommen Tradition der Haus- oder Familienkulte der Dii Familiaris.
Regulär dekliniert müsst es eigentlich: „Dii familiae“ heißen,.die altertümliche Genitivform ist tatsächlich nur in diesem einen stehenden Begriff im klassischen Latein überhaupt erhalten, und verweist eben auf älteste Vorstellungen.eines urtümlichen Ahnenkultes.
In diesem Kult – oder besser „Summe häuslicher Kulte“ - wurden der Lar Familiaris (Schutzgeist - Genius - der Familie), der Genius des Paterfamilias (Schutzgist des Familienvaters), die Lares Loci (Schutzgeister des Ortes wo das Haus steht), die Dii Penates (Schutzgötter der Vorräte), und etliche weitere häusliche, vegöttlichte Geistwesen, TÄGLICH von den Familienmitgliedern verehrt.
Allein die Summe dieser täglichen, persönlichen Kulthandlungen der Diis Familiaris, übrstieg jene der Dii Consentes (der 12 Hauotgötter Roms) um ein vielfaches.
Dieser Familienkult erwies sich dabei als so bedeutsam, dass er sowohl als Modell für verschiedene Praktiken des republikanischen Staatskultes herangezogen wurde (z.B. gab es den Lar Praestites, die Penates Publici, etc.), als auch für den späteren Kaiserkult modelhaften Charakter bewies - als der Kult des kaisrlichen Genius, im Sinn eines Paterfamilias aller Römer.
[Quelle u.a.: Republikanische Religion und Augusteischer Prinzipat - Anke Seifert, Verlag: Grin Verlag 2013]
Der Genius als persönlicher Begleiter des römischen Menschen
Man könnte nun natürlich auf jeden einzelnen dieser altrömischen Familienkulte und deren Vorstellungswelt eingehen (In Anbetracht manigfacher Ähnlichkeiten mit Einzelelementen des germanischen Ahnenkultes wäre das irgendwann mal auch zwingend), ich möchte mich hier jedoch auf die Beschreibung des persönlichen „Genius“ bschränken, da er den Kern der römisch-antiken Geburtstagsfeier bildet.
Schon die Geburt des Kindes stand im Zeichen der "Dii Familiaris".
Wurde das Kind vom Vater angenommen, so trug dieser den häuslichen Neuzugang durchs Haus, um ihn den häuslichen Geistern (Hausahnen) vorzustellen. Der Gang durchs Haus bildet gleichsam den kultischen Akt der Aufnahme des neuen Sippenmitgliedes in die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten – Im Augenblick des kultischen Abschlusses dieses Vorgangs (mit dem die Aufnahme als Familienmitglied auch duch die Ahnengeister vollzogen ist) stellte sich aus der Ahnenschaft heraus jener Schutzgeist an die Seite des neuen Menschenlebens, das er nun als Genius bis zu dessen Tod begleiten wird.
Der Genius (pl. Genii) verkörperte in der römischen Religion den persönlichen Schutzgeist eines Mannes als Ausdruck seiner Persönlichkeit, aber auch seiner Schicksalsbestimmung und nicht zu letzt auch seiner Zeugungskraft. Dieser Genius bestimmt sich dem Menschen bei dessen Geburt und er löste sich von ihm bei dessen Tod. Der Römer hielt Zwiesprache mit seinem Genius, opferte ihm auch vor wichtigen Entscheidungen und erhoffte sich Hilfe und Inspiration von IHM, vor allem in schwierigen Lebenssituationen.
Im Laufe der republikanischen Jahrhunderte entwickelten sich diese Ahnenbegleiter zu vergöttlichte Schutzgeister, die jedoch immer noch als Teil der Dii Familiaris gedacht wurden.
Den wichtigsten Genius der Familie stellte sicher der Genius des Familienoberhauptes dar – der „Genius Paterfamilias“ - da dieser die unumschränkte Herrschaft übr jegliches Leben innrhalb seiner Haushaltung ausübte.
Diese häusliche Machtfülle nannt man „Patria Potestas“ und entstammt ohne Zweifel ältsten noch in der Bronzezeit wurzelten Vorstellungen männlicher /patrriarchaler Sippengewalt.
Daß sich eine so außergwöhnliche häusliche Machtfülle selbst noch in den republikanischen 12-Tafelgesetzen niedrschlug, zeugt von der tiefen Verwurzelung des römischen Menschen mit dem aus dem Ahnnkult entwickelten Dii Familiaris.
Um mal eine Vorstellung dieser „Patria Potstas“ zu bekommen siehe hier Patria Potestas – Wikipedia
Der Genius Paterfamilias wurde TÄGLICH geehrt und erhielt tägliche Opfergaben auf einem ihm geweihten festen Hausaltar. Von besonderer Bedeutung als DAS FESTdes Genius war jedoch allgemein der Geburtstag des Trägers. Der römisch Geburtstag bildet also den persönlichen Kultus innerhalb der Dii Familiaris, und feierte den Bund zwischen dem menschlichen Individuum und seinem Genius.
Für den Genius wurde zu diesem Anlass ein spezieller Altar aus Grassoden errichtet. Dabei opferte man ihm in festlichen, weißen Gewändern Opfergaben wie Wein, Kuchen, Getreide oder Räuchermittel, die auch als Geschenke der Gäste (Familienanghörige, Freunde aber auch Klienten) ins Haus kamen – besondere Bedeutung hatte dabei der „Opferkuchen“..
Je höher eine Persönlichkeit gestellt war, oder je größer sein politischer und kultureller Einfluss war, desto opulenter fiel dieses Fest aus (speziell auch das mit dem Geburtstag verbundenn Festmahl der Familinangehörigen und Gäste) – der Geburtstag einer Persönlichkeit hatte als durchaus auch gesellschaftlichen Charakter.
Bei solchen Festessen wurden (vergleichbar der griechischen Genethliakon) Gedichte vorgetragen oder ein Ständchen gesungen und Lichter entzündet. Gäste, die nicht persönlich erscheinen konnten, sendeten schriftliche Geburtstagsgrüße in Reimform. – Selbst Lehrer belohnten gute Schüler zu ihrem Geburtstag mit einem Buch.
Da dieser Genius aus der patriarchalen Ahnenverehrung heraus nur männliche Familinmitglieder begleitete, ist fraglich, ob in frühester Zeit Geburtstage weiblicher Familienanghöriger überhaupt begangen wurden, zu republikanischer Zeit waren jedenfals auch „weiblichen „ Gburtstagsfeiern üblich, die sich dann allerdings pauschal unter dem Schutz der IUNO verstanden und IHR opferten. Hier wurde oftmals Schmuck wie Anhänger in Mondsichelform, (sogenannten „lunulae“) verschenkt, abr auch Obst- und Blumenkörbe oder Einrichtungsgegenstände für den Haushalt – hin und wieder auch Sklavinen.
In dem die Idee der Paterfamilias zum Kern des Kaiserkultes entwicklt wurde, bildete der Geburtstag des Kaisers als Fest des Genius Augusti einen der Höchsten Staatsfeiern des Reiches.
Werner Eisenhut - in „Der Kleine Pauly“ (KlP). Band 2, Stuttgart 1967 Artikel „Genius“
Die Fylgja – oder der Genius der germanischen Welt
Wenn wir nun gesehen haben, wie sehr sich in den Traditionen zweier indoeuropäischer Kulturen die Vorstellungen eins persönlichen Ahnenbegleiters als Schutzgeist des Menschen kultisch mit dessen Geburtstag verbunden hat, so wäre zunächst zu untersuchen, ob es auch in der germanischen Kultur so etwas wie einen persönlichen Ahnenbegleiter als „Schutzgeist des germanischen Menschen (Mannes) gab – und diesen Schutzgeist gab es in Gestalt der FYLGJA.
Die Fylgja (altnordischer Plural: Fylgjur, eingedeutschter Plural: Fylgjen oder Fylgien) ist ein weiblicher Folgegeist (altnord. fylgja = folgen) in der nordischen Mythologie, also eine Art Schutzgeist, der einen Menschen begleitet. Diese Wesen sind den Elfen und Nornen vergleichbar. Die Fylgjur sind normalerweise in ihrer menschlichen Gestalt nicht sichtbar, doch sind sie schon bei der Geburt ihres Schützlings in beliebiger (Tier-)Gestalt anwesend. Wenn sie erscheinen, dann als Traumgesicht in Frauengestalt oder der Gestalt desjenigen Tieres, das der Seele des jeweiligen Menschen gleicht. So könnte ein kriegerischer Mensch einen Wolf oder Bär, Pferd oder Vogel zur Fylgja haben.
Ihrem Schützling zeigt sie sich erst im Augenblick des Todes. An dieser Stelle ist sie wesensgleich mit der Walküre, deren schrecklicher Anblick den erwählten Krieger bannt und ihm somit den Tod bringt. In ihrer Frauengestalt tritt sie dann an sein Grab, belebt ihn durch ihre Liebe und den Lebenstrunk (ags. alu, Bier), um ihn daraufhin hoch zu Ross nach Walhall zu führen.
Nach Else Mundal haben diese Wesen ihren Ursprung im Ahnenkult. Die Fylgjen Þorgerð und Irp verhalfen Håkon Jarl in der Schlacht bei Hjørungavåg zum Sieg über die Jomsvikinger. Sie werden als Fylgjen seines Geschlechts vorgestellt und sollten dessen Stammmutter aus dem Geschlecht der Jöten gewesen sein. Die Fylgjen eines Clans folgten besonders dem Häuptling. Ihre Aufgabe war es, ihm zu helfen und ihn zu schützen. In einigen Quellen holen sie auch den Menschen, dem sie folgten, wenn er starb, zu sich und den übrigen Ahnen. [Quelle: Wiki-Artikel]
Ein Opfer für die Fylgja - oder der neopagane Geburtstag
Daimon - Genius – Fylgja – Drei religiöse Vorstellungen indoeuropäischer Kulturräume, die in einer Zeit entstanden, da der Sippen- und Ahnenkult das dominierende Merkmal der menschlichen Gemeinschaft darstellte – so früh also, daß hier schwerlich ein kulturelles Wandermotiv vermutet werden kann, und ein allen diesen bronzezeitlichen Kulturräumen gemeinsames, spirituelles Weltbild unterstellt werden kann, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung und variierenden Inhalten – was ja eine eigenständige Weiterentwicklung durch die jeweiligen Kulturräume in der Eisenzeit erst recht plausibel macht.
Nichts desto trotz, gibt es aus dern germanischen Kulturräumen schlicht keine Berichte die irgeendwelche Aussagen über einen Geburtstagskult oder ein entsprechendes Braucht treffen, ebnfalls gibt es (meines Wissens) keine Berichte, in denen ein Mann seiner Fylgja je mit Opfergaben gedankt hätte. So sicher es im Germanischen Religionsverständnis einen tief verwurzelten Ahnen- und Familienkult gegeben hat – eine eigentliche Schilderung seiner Praxis, seiner Rituale oder seiner Inhalte ist uns erstaunlicher Weise kaum nennenswert überliefert – und das gilt nicht nur für die Lebenskreisfeste wie Geburt / Geburtstag, Namenstag, Initiation, Heirat oder Tod (wobei die letzteren Beiden wenigstens in Ansätzen erschließbar sind).
Ginge es nach der vorhandenen Quellenlage, so hätte es nicht nur keinen Geburtstagsritus gegeben, sondern auch keinen Initiationsritus oder einen der Namensvergabe – ist das glaubhaft ?
Ein Grieche spendete seinem Daimon an seinem Geburtstag ein Dankopfer, ein Rämer tat das selbe für seinen Genius – aber dem Germanen sollte seine Fylgja am A.. vorbeigehen ? – Ausgerechnet jene Schutzgeister die mehr noch als die Mediterranen in so mancher Saga selbst aktiv eingriffen, um ihren Schützlingen selbigen heraus zu hauen ?
Natürlich ist es immer problematisch, weiße Flecken eines altgermanischen Kultturverständnisses indoeuropäisch aufzufüllen – die Bedenken hinsichtlich antiker Übertragungen sind durchaus berechtigt.
Wenn sich aber aus einer offensichtlich gemeinsamen bronzezeitlichen Entwicklung heraus, in Einzelbereichen wie dem Familienkult so offensichtlich vergleichbare Weltbilder entfaltet haben, so darf man mit Vorsicht auch vergleichbare spirituelle Inhalte vermuten
Da wir nun als „Neuheiden“ auf Grund der manglhaften Quellenlage in der rituellen Praxis ohndies weitgehend auf unsere Inspiration angewiesen sind – was gerade auch die spiritullen Inhalte der Familinkulte und deren rituelle Praxis betrifft, so wird es erlaubt sein, hier auf vergleichbare, ja nahzu identische Vorstellungen verwandter Kulturräume zurück zu greifen, ohne uns dabei Schuldig zu machen, die uns unbekannten Traditionen eines germanischen Ahnenkultes zu verletzen.
Was läge also näher, das neuzeitliche Kulturverständnis unserer Geburtstagsbräuche mit dem antiken Geburtstagsbrauch zu verbinden, seinem Schutzgeist dabei mit einem Dankopfer zu ehren - sei es, daß wir damit tatsächlich an verschüttete Bräuche germanischer Ahnenverehrung anknüpfen - sei es, daß wir unter Umständen nach 2 ½ Jahrtausenden die Ersten wären, die ihrer Fylgja mit einem Geburtstagsopfer den ihr gebührenden Respekt erweisen.
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